Moskau setzt auf präventive Atomschläge
von Manfred Quiring
Russlands Militärs und Geheimdienstler haben eine neue Militärdoktrin erarbeitet, die dunkle Erinnerungen an die Zeit des Kalten Krieges weckt. Darin ist zur Verteidigung des Landes ausdrücklich der atomare Präventivschlag vorgesehen. Schließlich seien die militärischen Bedrohungen für das Land nicht verschwunden.
dpa
Atompilz
Unter Führung des ehemaligen Geheimdienstchefs Nikolai Patruschew bastelten Russlands Militärs, Geheimdienstler, Politiker und Militärwissenschaftler seit Monaten an einer neuen Militärdoktrin, in der insbesondere der Ersteinsatz von Atomwaffen eine wichtige Rolle spielen soll. Es wird die dritte Doktrin in der knapp zwanzigjährigen Geschichte des neuen Russlands sein, die nun im Entwurf vorliegt, sagte Patruschew, der jetzt dem russischen Sicherheitsrat vorsteht. Die Regierungszeitung „Rossijskaja Gaseta“ veröffentlichte das Interview.
Die Militärdoktrin trage ausschließlich Verteidigungscharakter, versicherte Patruschew, womit er einen Allgemeinplatz bediente. Nirgendwo auf der Welt existiert eine Militärdoktrin mit Angriffscharakter, da ist Russland keine Ausnahme. Warum jetzt eine neue Militärdoktrin notwendig wurde, begründete Patruschew mit der gründlichen Analyse der aktuellen Lage in der Welt und der Perspektiven bis 2020. Dabei sei man zum Schluss gekommen, „dass die militärischen Gefahren und möglichen militärischen Bedrohungen für unser Land nicht verschwunden sind“. Allerdings sei eine Verschiebung von der Möglichkeit großer kriegerischer Konflikten hin zu lokalen Kriege und bewaffneten Konflikten zu bemerken.
Als wichtigste Bedrohung machte Patruschew die Bewegung der Nato in Richtung russischer Grenze aus, „die militärische Tätigkeit des Blocks wird aktiviert“. Nach langer Pause gebe es zudem in den USA wieder Manöver der strategischen Streitkräfte, bei denen die Anwendung nuklearer Waffen geübt würde. Als zusätzliche Faktoren der Destabilisierung nannte Patruschew die Weiterverbreitung nuklearer, chemischer und biologischer Technologien, die Herstellung von Massenvernichtungswaffen sowie den internationalen Terrorismus.
Zudem wachse das Konfliktpotenzial im Kampf um die Brennstoff- und Energieressourcen in den Grenzregionen Russlands, glaubt Patruschew und nannte in dem Zusammenhang die Arktis. Dort allerdings ist es Russland, das Gebiete beansprucht, die nach der auch von Moskau ratifizierten Seerechtskonvention nie russische Territorien waren. Um seinen Interessen Nachdruck zu verleihen, hatte Moskau im Sommer 2007 Patrouillenflüge seiner strategischen Atombomberflotte wieder aufgenommen.
Russland seinerseits sieht sich mit Territorialforderungen konfrontiert, sagte Patruschew und nannte dabei insbesondere Japan im Fernen Osten. Das sehen zumindest die Japaner anders, sie möchten die Teile der Kurilen wiederhaben, die ihnen ihrer Ansicht nach gehören und die Russland nach dem Zweiten Weltkrieg widerrechtlich besetzt hat.
Eine zentrale Rolle spielt in der Doktrin die mögliche Anwendung von Kernwaffen. Für die Sowjetunion und anfangs auch für Russland waren sie ein Mittel zur Abschreckung eines Atomangriffs und ein Argument, mit den USA auf Augenhöhe zu sprechen. Der Einsatz von Kernwaffen – das war im Kalten Krieg Konsens zwischen Moskau und Washington – durfte nie stattfinden, andernfalls drohte die Zerstörung der Welt.
Das sieht man in Moskau jetzt etwas anders. Der mögliche Ersteinsatz von Atomwaffen war bereits Bestandteil der Doktrin aus dem Jahr 2000, jetzt wurde er den Worten Patruschews zufolge modifiziert. Der Entwurf der Doktrin geht davon aus, dass Russland seinen Status als Kernwaffenmacht bewahrt, die fähig ist zur nuklearen Abschreckung eines Angriffs auf „sich und seine Verbündeten“. Das kann auch geschehen, wenn der Angriff lediglich mit konventionellen Waffen vorgetragen wird. „In einer für die nationale Sicherheit kritischen Situation wird ein Atomschlag gegen den Aggressor nicht ausgeschlossen, darunter auch ein präventiver“.
In einem Interview, das Patruschew bereits im Oktober der Zeitung Iswestija gegeben hatte, verwies der Chef des nationalen Sicherheitsrates darauf, dass dies auch für regionale und lokale Kriege gelte. Damit will Russland offensichtlich den Verlust der konventionellen Überlegenheit gegenüber der Nato aus sowjetischer Zeit kompensieren.
Von: http://news.de.msn.com/politik/politik.aspx?cp-documentid=150985561
Samstag, 21. November 2009
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