Mittwoch, 20. August 2008

Die Uiguren In Uyghuristan


Wolfgang Günter Lerch



Uiguren auf einem Markt in der Provinz Uyghuristan/Xinjiang
05. August 2008 Lange Zeit sah es so aus, als habe die immer wieder aufflammende Unruhe in der westchinesischen Uyghuristan/Xinijang ein Ausmaß, das die Führung in Peking nicht über Gebühr beunruhigen müsse. Doch seit einiger Zeit dringen immer wieder Nachrichten nach draußen, dass sich der „uigurische Widerstand verstärke“.

Es ist sogar davon die Rede, dass Al Qaida versuche, ihren Einfluss in dieser Region, die von den Uiguren und anderen Turkvölkern als „Ost-Turkestan“ bezeichnet wird, auszubauen. Schon an früheren Anschlägen Al Qaidas sollen auch einige Uiguren beteiligt gewesen sein.

Anschläge auch auf Sportler?

In der letzten Juli-Woche hatte eine „Islamische Partei Ost-Turkestans“ mit Anschlägen während der Olympischen Spiele gedroht. In ihrem in der vergangenen Woche veröffentlichten Bezichtigungsvideo kündigte sie auch Anschläge in Peking an und wollte davon auch Athleten nicht ausnehmen.

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16 Tote bei Anschlag auf Polizeistation in China

Ihr Führer, der auf den Namen Saifullah hören soll, gab bekannt: „Trotz der wiederholten Mahnungen der ,Islamischen Partei Turkestans’ an China und die internationale Gesellschaft, die 29. Olympischen Spiele abzusagen, haben die Chinesen unsere Warnungen ignoriert“. In ersten Reaktionen hatte es geheißen, es handele sich um eine obskure Gruppe, die wohl nicht besonders ernst zu nehmen sei.

In der Region zwischen Kaschgar im Westen, Urumtschi im Norden und Khotan im Süden leben etwa acht Millionen Uiguren, die dem östlichen Zweig der türkischen Völker angehören und eine osttürkische Sprache sprechen. Andere kleine turksprachige Minderheiten wie Kasachen und Kirgisen kommen hinzu.

Angst vor kulturellem Identitätsverlust

Kaschgar, wo jetzt 16 Polizisten bei dem Anschlag getötet wurden, ist das religiöse und traditionelle Zentrum der Uiguren. Geographisch gesehen bewohnen sie das Tarim-Becken, in dessen Mitte sich die Wüste Takla Makan (Ort ohne Wiederkehr) befindet, sowie die nördlich davon gelegene Region der Turfan-Oasen, ein Gebiet der historischen Seidenstraße. Seit vielen Jahrzehnten beklagen sie – ähnlich wie die Tibeter – die kulturelle Überwältigung durch die Han-Chinesen, deren Zahl durch Zuwanderung und bewusste Ansiedlung ständig wächst.

In vielen Gegenden sind die Uiguren längst zur Minderheit geworden. Auch die restriktive Haltung des Staates gegenüber der islamischen Religion, der die Uiguren anhängen, wird vom Uigurischen Weltkongress und anderen uigurischen Exil-Organisationen in Amerika, Europa und in der Türkei kritisiert. Seit Jahrzehnten hielt die uigurische Famile Alptekin von Istanbul aus Kontakt mit ihren Landsleuten in Xinjiang.

Wandlung im Glauben

Die Uiguren verstehen sich heute bewusster als früher als die Erben jener uigurischen Reiche, die vor mehr als tausend Jahren, etwa seit dem 8. nachchristlichen Jahrhundert, am östlichen Rande Mittelasiens bestanden hatten. Sie hatten sich zu jener Zeit bisweilen mit den Tibetern auseinanderzusetzen, die nun heute ein ähnliches politisches Schicksal teilen. In den Turfan-Oasen entwickelten die Uiguren, schon bevor sie Muslime wurden, eine hochentwickelte Schriftkultur, von der später noch andere türkische Reiche, etwa das der Karachaniden von Balasagun und Kaschgar, profitierten.

Die Uiguren waren damals Manichäer, Buddhisten oder auch, zu einem kleineren Teil, nestorianische Christen. Für ihre osttürkische Sprache, die dem Alttürkischen der frühesten Schriftdenkmäler, den türkischen Runen-Stelen aus dem 8. Jahrhundert an den Flüssen Orhon und Jenissej nahesteht, entwickelten sie eine eigene Schrift, die später mit Abwandlungen von den Mongolen übernommen wurde.

Auseinandersetzung mit dem „Reich der Mitte“

Nach der Islamisierung fanden die arabischen Schriftzeichen Verwendung. Im Jahre 1209 hatte sich das letzte uigurische Reich von Chotscho im Turfan-Gebiet den Mongolen unter Dschingis Khan unterstellt, die sich zu ihren umfassenden Eroberungszügen anschickten. In den folgenden Jahrhunderten waren gebildete Uiguren oft als Schreiber für mongolische oder andere Herrscher tätig.

Seit Jahrhunderten bestimmte die Auseinandersetzung mit dem übermächtigen „Reich der Mitte“, zwischenzeitlich auch mit russischem Einfluss, die moderne Geschichte der Uiguren. Russland eroberte jene zwischen dem Kaspischen Meer und Taschkent gelegenen Gebiete, die von den Türken als Westturkestan bezeichnet werden. Aufstände wurden in beiden Regionen teilweise blutig niedergeschlagen. Neben den Uiguren gibt es in China auch Muslime, die keine Türken sind.



Text: F.A.Z.
Bildmaterial: Reuters

Von:http://www.faz.net/s/Rub00FF9A9C12F34E50BC46B4A9D1B2FFB4/Doc~E75266E768AFB48358380EE5AFA9C77AE~ATpl~Ecommon~Scontent.html?gclid=CJq-7uO1nJUCFQ9WMAodEWR9aQ

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