Montag, 30. Juni 2008

Ergreifende Lebensgeschichte
Rebiya Kadeer "Die Himmelsstürmerin"

Rebiya Kadeer und ihr Buch "Die Himmelsstürmerin"Tibet steht im Mittelpunkt des Interesses der Weltöffentlichkeit. Dass auch andere Volksgruppen unter der Zentralregierung in Peking zu leiden haben, zeigt die Geschichte von Rebiya Kadeer, Chinas bekanntester Menschenrechtlerin.

Rebiya Kadeer erzählt der Journalistin und Autorin Alexandra Cavelius ihre Biographie und berichtet dabei von ihrer Geburt unter Goldgräbern, von der ungewollten ersten Hochzeit, der Scheidung und dem daran anschließenden Aufstieg zu einer der reichsten Frauen Chinas – und vom tiefen Fall, der mehrjährigen Gefängnisstrafe, den Folterungen.


InformationRebiya Kadeer, Alexandra Cavelius: Die Himmelsstürmerin
Chinas Staatsfeindin Nr. 1 erzählt aus ihrem Leben
352 Seiten, € 19,95
Heyne
Juni 2007
ISBN-10: 3453120825
ISBN-13: 978-3453120822

Doch eigentlich geht es ihr weniger um das eigene Leben, der eigentliche Protagonist des Buches ist das Volk der Uiguren, welches westlich von China im zerklüfteten Gebirge beheimatet ist. Das ehemalige Ostturkestan wurde vom kommunistischen China nach 1949 schleichend okkupiert, wirtschaftlich und vor allem kulturell – das autonome Gebiet Xinjiang der Volksrepublik China entstand und eine Assimilierungswelle setzte ein, in welcher Chinesen als Ziel die zahlenmäßig stärkste Volksgruppe zu sein hatten.

In diese Zeit wurde Kadeer geboren und entdeckte schon während der Kindheit – ausgelöst von den Gräueltaten, deren Zeugin sie hatte sein müssen – eine besondere Verantwortung für das uigurische Volk, welches durch Zwangsumsiedlungen, Geburtenkontrollen und diskriminierende Gesetze systematisch unterdrückt wurde. „Du gehörst nicht zu uns“, sagten ihre Eltern immer wieder zu ihr, „du gehörst dem Volk.“

Karriere
Kadeer heiratet, doch die Ehe verläuft unglücklich und als geschiedene Frau scheint sie sozial ruiniert, ihr Leben schon jetzt gescheitert. Aber sie gibt nicht auf und eröffnet mit wenigen Yuan eine Wäscherei, entdeckt hier ihr Talent als Geschäftsfrau, stößt jedoch auch schnell an die Grenzen, welche die Chinesen dem uigurischen Volk auferlegen: So müssen Uiguren ihre Waren höher versteuern und werden zugunsten der chinesischen Konkurrenz benachteiligt. Oftmals steht Kadeer abermals vor dem Ruin, gibt jedoch niemals auf, stets daran denkend, dies alles für ihr Volk zu tun.

Hoffnung
Denn Kadeer versteht sich, wie sie immer wieder betont, als Führerin ihres Volkes. Als Frau, Mutter und auch als Geschäftsfrau handelt sie stets im Interesse der Uiguren und wird angetrieben von dem Wunsch, die Unabhängigkeit von China zu erreichen. Ihr Kaufhausimperium wurde auf diese Weise auch zu einem uigurischen Triumph. Doch mit dem Traum einer friedlichen Befreiung ihres Volkes wird sie der chinesischen Regierung immer unbequemer, bis man sie 1999 schließlich gefangen nimmt und bis zum Jahr 2005 Folter, Umerziehung und Terror durchleben lässt.

Beeindruckend ist der Wille dieser Frau, die tatsächlich jede Krise als Chance zu begreifen sucht und selbst in Einzelhaft den Glauben an Gott, Volk und Familie nicht verliert, damit gar die chinesische Regierung bezwingt und die Freilassung und das anschließende Exil in Amerika erreicht.

Gerafft
Dieses Sachbuch basiert auf Gesprächen Kadeers mit der Journalistin Alexandra Cavelius – und das merkt man dem Werk dann auch an: Der Stil ist knapp, die Erlebnisse werden protokollartig aufgereiht und auf weitschweifige Erklärungen zumeist verzichtet. Das erleichtert das Lesen und etabliert eine spannungsvolle Intensität, die eher an einen Roman denken lässt. Interessiert man sich jedoch für das leidvolle Schicksal des uigurischen Volkes, welches durchaus mit dem der Tibeter zu vergleichen ist, so sollte man unterstützend noch weitere Sachbücher hinzuziehen.

Vorgestellt von Roman Halfmann


Von:http://www.hr-online.de/website/rubriken/kultur/index.jsp?rubrik=8910&key=standard_document_34031114

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