Mittwoch, 18. Juni 2008

Unterdrückung Tibet und Uigurien

Die Tibeter sind nicht die einzige Minderheit in China, die unterdrückt wird. Aber während die Zeitungen voll sind mit Pro-Tibet-Protesten, gelangen Schicksale anderer Ethnien fast gar nicht an die Öffentlichkeit. Johannes Berthoud weiß, warum die Uiguren-Lobby ziemlich überschaubar ist, während jeder Gutmensch, der was auf sich hält, eine Tibet-Fahne an den Balkon hängt. Wir haben einen Vergleich gemacht - in vier Kategorien.

Von Johannes Berthoud
Stand: 06.05.2008


1. Die Flagge: Eine knallgelbe Sonne mit rot-blauen Strahlen, zwei Löwen, ein Juwel, ein Ying-Yang-Zeichen. Die Tibet-Flagge geizt nicht mit Symbolen: Wie gemacht für einen farbenfrohen Protestmarsch, eine Zierde für jeden Balkon.

Die Fahne der uigurischen Unabhängigkeitsbewegung wirkt dagegen wie ein Fehldruck:

Halbmond und Stern prangen da wie auf der türkischen Flagge. Aber statt rot ist die Grundfarbe der uigurischen Version hellblau. Die Ähnlichkeit ist kein Zufall. Türken wie Uiguren zählen sich zu den Turkvölkern. Erkin Zunun arbeitet beim Uigurischen Weltkongress, der Auslandsvertretung der Uiguren. Die kämpft für Menschenrechte und offenbar auch mit Missverständnissen:

Erkin: "Unser Land heißt Ost-Turkistan. Wenn ich das einem Deutschen oder einem Engländer sage, dann denken die immer, ich komme aus der Türkei und die Uiguren seien Türken. Im Westen sind Türken aber nicht besonders populär."

2. Die Religion

Bildunterschrift: Flaggentest: Welche ist schöner?
Tibet ist buddhistisch. Überall stehen Klöster. Darin wohnen Mönche, die keinem was zu Leide tun. Tibet und sein Buddhismus steht für Frieden. Der Dalai Lama predigt Gewaltlosigkeit. Außerdem beeindruckt den gestressten 60-Stunden-Jobber von München bis New York die innere Ruhe und Ausgeglichenheit dieses Bergvolkes und er stellt sich einen kleinen Bronze-Buddha auf seinen Nachttisch.


Uiguren dagegen sind Muslime. Nach Scientology ist das bekanntermaßen die unbeliebteste Religionsgemeinschaft der man angehören kann - jeder Muslim ein potentieller Bin Laden.
Der chinesischen Führung kam der internationale Kampf gegen den Terror nach dem elften September gerade recht. Separatisten wurden plötzlich zu Terroristen. Die Bekämpfung wurde legitim. Ulrich Delius von der Gesellschaft für bedrohte Völker erkennt da ein Muster.


Delius: "Gerade in den letzten Wochen meldeten Medien fast wöchentlich einen neuen "Vorfall": Eine 19-jährige Uigurin soll zum Beispiel eine Linienmaschine entführt haben und wollte sie angeblich in die Luft sprengen. Nachdem das Flugzeug notgelandet und die angebliche Terroristin verhaftet worden war, ist das Flugzeug sofort wieder losgeflogen. Da sagen viele Terrorexperten: Das ist nicht glaubhaft, denn normalerweise wird erst einmal die Spurensicherung los geschickt und das Flugzeug bleibt mindestens einen Tag auf dem Boden.


Bildunterschrift: Das religiöse Oberhaupt der Tibeter: Der Dalai Lama


3. Das Oberhaupt: Auch dieser Punkt geht an Tibet. Denn die Tibeter haben das wahrscheinlich beliebteste Oberhaupt der Welt. Seine Heiligkeit, den Dalai Lama. Der klärt die Weltöffentlichkeit seit 1959 über das Schicksal seiner Landsleute auf - und Hollwood-Stars über den korrekten Gebrauch von Gebetsmühlen. Zu den Uiguren war das Schicksal härter: 1949, übernimmt China die Macht über ihr Gebiet. Der große Vorsitzende Mao lädt die gesamte uigurische Führungsspitze zu Verhandlungen ins Zentralkomitee. Auf dem Weg nach Beijing stürzt das Flugzeug ab: Ursache ungeklärt, die Uiguren führungslos. Die uigurische Auslandsvertretung gründet sich erst 1991 - die Vorsitzende Rebiya Kadeer ist Richard Gere noch nie begegnet.

4. Die Kultur

Tibet - das Dach der Welt. Die Faszination für das tibetische Hochland ist alt. Selbst die Nazis waren begeistert. 1938 schickte SS-Chef Heinrich Himmler eine Expedition nach Asien um Ur-Arier zu suchen. Heute begeistert Tibet mit Kultur: Malerische Pagoden, Gebetstücher flattern vor weißen Berggipfeln, davor eine Schar süßer Kinder mit seltsamen Mützen. Wer kann da schon mithalten?


Am Ende steht es vier zu null für die Tibeter in der internationalen Beliebtheitswertung. Dabei gibt es zwischen beiden keine Konkurrenz: Tibeter und Uiguren unterstützen sich und demonstrieren gemeinsam. Nur der Westen nimmt bislang nur das Leiden der Tibeter wahr. Erkin sieht deshalb noch verdammt viel Arbeit auf den Uigurischen Weltkongress zukommen und will im Bundestag, im europäischen Parlament und im amerikanischen Kongress für die uigurische Sache werben. Denn Erkin weiß: "Wir müssen viel mehr Freunde finden."

Von:http://www.br-online.de/bayern2/zuendfunk/zuendfunk-politik-thema-uiguren-ID1210090601394.xml

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