Montag, 30. Juni 2008

Interview mit der Autorin Rebiya Kadeer


Ausschnitt aus dem Buchcover "Die Himmelssürmerin"

Rebiya Kadeer: Chinas Staatsfeindin Nummer Eins. Ihr Vergehen: sie setzt sich seit Jahrzehnten für Ihr Volk die Uiguren ein und stört damit die Politik Pekings. Die Mutter von 11 Kindern, fünf sind heute immer noch in China und täglichen Schikanen und Haftstrafen ausgesetzt, lebt heute im Exil in den USA. Kadeer beschreibt in ihrem Buch „Die Himmelsstürmerin“ wie alles anfing, warum sie sich bis heute um die Belange ihres Volkes einsetzt.


Wie war ihre Kindheit?

Als ich ganz klein war, war ich ein sehr, sehr glückliches Mädchen. Bis auf einmal meine Eltern sehr unglücklich wurden und das habe ich mitbekommen.
Das hat sich auf unsere gesamtes Familienleben ausgewirkt. Ich durfte nicht mehr auf die Straße gehen, ich durfte mit niemandem sprechen. Das war für mich sehr schwer, denn ich war sehr aufgeschlossen und hatte viel Kontakt mit den Nachbarn.


Ich habe natürlich meine Eltern gefragt, warum denn alles anders geworden ist, aber sie haben mir gesagt, ich solle mich nicht überall einmischen.
Und mit 13 Jahre wurden wir dann das erste Mal vertrieben. Ich musste meine Schule verlassen, die ich sehr geliebt habe. Und meine Freundinnen. Eigentlich musste ich mich von meiner ganzen Welt trennen. Ein Schmerz der mit 13 Jahren angefangen hat und bis heute andauert.


Diese Vertreibung dauert jetzt schon die vierte Generation an. Wenn ich heute sehe wie meine Kinder leben, die einen im Exil, die anderen sind im Gefängnis, meinem ganzen Volk geht es immer schlechter.

Durch Geschick, Mut und Ideenvielfalt wird sie zur reichsten Geschäftsfrau Ihres Landes. Wie sieht Sie heute diese Zeit? Was hat Ihnen die Kraft gegeben?

Ich denke, dass ich die Kraft von den Menschen bekomme für die ich mich einsetze, von der leidenden Bevölkerung. Ich war reich, ich hatte hohe Positionen inne, aber ich habe es nie genießen können, denn immer wenn ich den Menschen auf der Straße begegnet bin und sie mir in die Augen geschaut haben, hat mich das an meine Aufgabe erinnert und mir gleichzeitig Kraft gegeben. Was mir allerdings am meisten Kraft gibt ist meine Überzeugung.

Sie wurde wegen einer nicht genehmigten Rede, die sie 1999 vor dem Kongress hielt zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Dunkel- und Einzelhaft blieben ihr nicht erspart, allerdings wurde sie nicht geschlagen. Weshalb nicht?

Natürlich hat die chinesische Regierung erkannt, dass meine Popularität bei der Bevölkerung sehr hoch ist. Und die Leute mich schätzen und sie haben erkannt, dass ich mich für meine Überzeugung einsetze. Deshalb wurde ich verhaftet und gleichzeitig hat mich das geschützt.

Immer noch finden tagtäglich Menschenrechtsverletzungen in China statt. Sind diese durch den Wirtschaftsboom Chinas weniger geworden? Wie sieht die Situation für die Uiguren aus?

Von diesem Wirtschaftsboom profitieren wenige. Die KP Kommunisten und ihre Familien. Aber unter den Menschenrechtsverletzungen leiden viele. Seit dem Wirtschaftsboom, seit 10 Jahren, ist die Situation der Uiguren sehr schlecht geworden, viel schlechter als vorher, denn China hat ein großes Interesse an uns, denn wir haben wertvolle Bodenschätze.


Es gibt nichts historisch vergleichbares was China mit den Uiguren macht. Ich erzähle Ihnen einige Beispiele:


Früher wurden wir zwar auch unterdrückt, aber wir durften unsere Sprache sprechen. Seit 2003 ist die Sprache verboten in den Schulen, in den Medien. Früher war die Angst der Chinesen gegenüber der Weltöffentlichkeit größer aber seitdem dieser Boom eingesetzt hat ist der Druck auf die Uiguren größer geworden.


Zum Bespiel sind Mädchen für eine Nation ein wichtiger Aspekt. Die Chinesen haben vielen uigurischen Mädchen versprochen sie auszubilden und sie unter diesem Deckmantel in das Landesinnere gebracht, wo sie niedere Arbeiten machen müssen.


Für die Uiguren eine schlimme Entwicklung, wenn sie sich nicht mehr fortpflanzen können. Wenn Kinder von ihren Eltern getrennt werden, Generationen getrennt werden, dann können wir auch nicht mehr unsere Werte unsere Religion weitergeben.


Wenn man all diesen Aufwand für die Transporte und Umsiedlung und das Geld in Schulen in Ostturkestan investieren würde und die Kinder bei ihren Eltern lassen könnte, das würde ich mir wünschen.

Wir sind den Chinesen ausgeliefert. Es gibt sogar ein Gesetz, dass unter 18- jährige uigurische Kinder oder auch die Beamten im Staatsdienst keine Moschee besuchen dürfen, ansonsten werden zumindest die Beamten sofort zu Haftstrafen verurteilt.


Auch das Fasten während des Ramadans ist verboten und wer es trotzdem tut wird bestraft.


Wenn herauskommt, dass uigurische Kinder etwas über ihre Nationalität, Religion oder Geschichte lernen, dann werden sie direkt von der Schule ausgeschlossen und die Eltern müssen eine Strafe zahlen.

Und für politisch Aktive Uiguren wird die Todesstrafe verhängt und das gilt nur für politisch Aktive in Ostturkestan.

Viele Uiguren werden vor dem chinesischen Neujahrsfest festgenommen und zum Tode verurteilt. Die Toten werden dann auf Lastwagen geladen und am Neujahrfest für die Chinesen zur Schau gestellt.

Überall auf der Welt, auch in China wird man für Straftaten verurteilt. Aber die Chinesen sagen, die Uiguren das sind Menschen die so anders sind, das man sie alleine schon dafür, dass sie Uiguren sind, bestrafen muss. Und zwar ohne Rechtsbeistand.

Glaubt sie, das China durch den Wirtschaftsboom zur Demokratie findet?

Nein, das glaube ich nicht. Durch den Wirtschaftsboom wird China nicht zur Demokratie. Und es wird nicht nur bedrohlicher für die Uiguren, sondern für die ganze Welt und den ganzen Weltfrieden!

Denn, wenn die Chinesen mehr Geld haben, dann geben sie das immer für das Militär aus und davon profitiert nur eine Elite, die ihre Macht ausbauen wird.

Was kann der Westen tun, damit China eine Demokratie wird?


Da gibt es nur einen Weg: der Westen muss erkennen, dass China Schwachstellen hat, wie zum Beispiel die Uiguren, die unter menschenverachtenden Bedingungen leben. Mit internationaler Hilfe und Gesetzen kann China in seine Schranken gewiesen werden. Man muss die Menschenrechtsverletzungen thematisieren und Delegierte in die unterdrückten Gebiete schicken.

Menschenrechtsorganisationen müssen vor Ort auf die Unterdrückung durch die Chinesen aufmerksam machen.

Glaubt sie, dass sie jemals wieder in ihrer Heimat leben kann?


Ich bin sicher dass ich meine Heimat wieder sehe, darum kämpfe ich!

Ich weiß die Gerechtigkeit wird immer siegen!

Von:http://www.3sat.de/3sat.php?http://www.3sat.de/bookmark/sendung/110327/index.html

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