Freitag, 27. Juni 2008

Rebiya Kadeer kämpft für die Rechte der Uiguren
VON THOMAS GEISEN, 24.04.08, 21:14h


Rebiya Kadeer auf der Jahreshauptversammlung der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte in Bonn.

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Als ob das Leben mit all seinem Leid und den Kämpfen ihr eine natürliche Würde verliehen hätte, sitzt Rebiya Kadeer unlängst auf der Jahrestagung der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte: ein klarer Blick, der immer wieder in die Ferne schweift, eine laute, fast schneidende Stimme. „Wir haben leider keinen Dalai Lama“, sagt die wohl bekannteste Menschenrechtlerin aus der Volksrepublik China, die sich für die Rechte der uigurischen Minderheit in China einsetzt. „Die Weltöffentlichkeit kümmert sich nicht so um unser Problem wie um Tibet.“ Allein in den vergangenen 30 Tagen sollen 760 Menschen der muslimischen Volksgruppe aus politischen Gründen verhaftet worden sein. Die Festnahmen seien Ausdruck der Politik der „eisernen Faust“, mit der Chinas Sicherheitsbehörden in Ostturkestan regierten.

Aber ohne Dalai Lama keine Aufmerksamkeit. Obwohl Rebiya Kadeer - 1948 in einfachen Verhältnissen geborene Uigurin - seit 2006 Präsidentin des Weltkongresses der Uiguren ist. Für ihr Engagement wurde sie bereits drei Mal für den Friedensnobelpreis nominiert.

Wer ist diese Frau, die momentan wieder für „Menschenrechte der Uiguren“ in Europa auf Tour ist? Nach der Scheidung von ihrem ersten Mann heiratete sie den ehemaligen Studentenführer und Dichter Sidik Hadji Rouzi. In ihrer Heimat gelang ihr ein steiler wirtschaftlicher Aufstieg. Sie besaß zwei Kaufhäuser, wurde zur Vorsitzenden der Handelskammer der Provinz Xinjiang gewählt. Mit dem wirtschaftlichen ging der politische Aufstieg einher. Im Jahr 1992 wurde sie in den Nationalen Volkskongress gewählt, 1995 gehörte sie zur Delegation Chinas bei der Weltfrauenkonferenz in Peking. Rebiya Kadeer soll die reichste Frau der Volksrepublik China gewesen sein.

Nachdem das chinesische Militär und andere Sicherheitskräfte im Jahr 1997 eine Protestbewegung der Uiguren gewaltsam niedergeschlagen hatten, prangerte Kadeer dies vor dem chinesischen Volkskongress an, forderte religiöse Toleranz und ein sofortiges Ende der willkürlichen Verhaftungen.

Rede blieb nicht ohne Folgen
Die Rede blieb natürlich nicht ohne Folgen. Als sie 1999 ihrem im Exil lebenden Mann Zeitungsberichte zukommen lassen wollte, verurteilte man sie wegen „Verrats von Staatsgeheimnissen“ zu acht Jahren Isolationshaft. Das hieß: kein Stift, kein Blatt , keine Lektüre. Nur aufgrund internationalen Drucks entließen die chinesischen Behörden sie vorzeitig aus der Haft unter anderem auch, weil die Außenministerin der USA, Condoleezza Rice, Kadeers Entlassung zu einer Vorbedingung für ihre Peking-Reise machte. Zusätzlich zogen die USA eine geplante Resolution gegen die VR China in der UN-Menschenrechtskommission zurück. 2005 wurde Rebiya Kadeer dann offiziell zu einer „Herzbehandlung“ in die USA ausgeflogen.

Peking verlangte im Gegenzug Stillschweigen über ihre Haftbedingungen und die Repressionen in der Volksrepublik. Kadeer hielt sich - natürlich - nicht an diese „Auflagen“. Im November 2005 entging sie nur knapp einem Mordanschlag. Bis heute fühlt sie sich auch in den USA nicht sicher und hat Anhaltspunkte dafür, noch immer von China überwacht zu werden.

Wer von diesem Leben, der Angst und diesem politischen Himmelfahrtskommando erfährt, will kaum glauben, dass Kadeer Mutter von neun eigenen und zwei adoptierten Kindern ist. Fünf leben zurzeit noch in der Volksrepublik. Peking lässt keine Gelegenheit aus, um über die Kinder Druck auf Rebiya Kadeer auszuüben. Einer ihrer Söhne ist wegen „Subversion“ zu neun Jahren Haft verurteilt worden, ein weiterer Sohn wegen angeblicher Steuerhinterziehung zu sieben Jahren Haft. Eine Tochter steht unter Hausarrest.

Mit dem übrigen Teil ihrer Familie lebt die Menschenrechtlerin in Vienna (US-Bundesstaat Virginia), wo sie zumindest etwas Ruhe fand, das Buch „Die Himmelsstürmerin“ zu schreiben. Ansonsten ist sie meist unterwegs. Redet, kämpft - wie ein uigurischer Dalai Lama.

Von:http://www.leverkusener-anzeiger.ksta.de/html/artikel/1207479064436.shtml

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